Der wunderbare Blick auf den See ist das erste, das sofort
ins Auge fällt, wenn man das Zuhause von Zahra Darvishi betritt. Die betörend
schöne Aussicht dominiert ganz unaufdringlich die Wohnung, in der sich Zahra
zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn pudelwohl fühlt. Eine grosse Ruhe liegt
in den dezenten Farben der Einrichtung. Es gibt nicht viel Dekoration auf den
Oberflächen. Schnickschnack ist nicht ihr Ding. Sie möchte sich in ihrem Heim
erholen können. Runterfahren. Sich auf das Wesentliche konzentrieren. Zum
Beispiel das tägliche Nachtessen mit ihrer Familie. Der Hauptfokus liegt deshalb
auch auf der Funktionalität, die Zahra gekonnt mit grosser Ästhetik verbindet. Schlichte,
aber dennoch mondäne, wohlgeformte Möbel stehen im Mittelpunkt. Der relaxte
Look wird durch ein paar Farbtupfer in Form saisonaler Blumen aufgelockert und
mit dem einen oder anderen Perserteppich verfeinert.
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Zahra Darvishi |
Die Teppiche aus Persien stammen aus Zahras Heimat und
an dem Tag, an dem ich sie besuchte fällt mir noch ein weiterer Farbtupfer im
Wohnzimmer auf. Es ist ein kleiner Tisch, auf dem sich eine Ansammlung von Lebensmitteln
und Blumen befindet. „Wir feiern heute Abend das iranische Neujahrfest.“
erklärt mir Zahra. In kleinen Schälchen befinden sich deshalb sieben
verschiedene Zutaten, die zu Neujahrsfest gehören und welche die sieben
Tugenden des Zoroastrismus versinnbildlichen. „Ich mag alte Bräuche. Wir feiern
das iranische Neujahr genauso gerne, wie Ostern oder Weihnachten. Es bringt
Familie und Freunde zusammen und das liebe ich sehr.“
Zahra Darvishi wurde im Iran geboren und wuchs dort
mit ihren Eltern und vier Brüdern auf. Die Eltern, die beide Lehrer waren,
legten viel Wert auf Bildung und wollten, dass ihre Kinder im Ausland
studieren. Die einzige Tochter schickten sie in die Schweiz. Sie waren der
Überzeugung, dass dieses Land einem jungen Mädchen mehr Sicherheit bieten
könne, als Amerika, wo bereits drei von Zahras Brüder studiert hatten. An der
Universität von Zürich lernte sie dann nicht nur die Grundlagen der Biochemie
sondern auch ihren Mann kennen. Die Biochemie, stellte sie bald fest, war zwar
eine spannende Angelegenheit, aber sie war Zahras Sache nicht. Sie wollte
lieber mehr mit Menschen zu tun haben und weniger mit Reagenzgläsern. Zahra
brach das Studium ab und besuchte in Amerika ein College für Supervision
Management. Zusammen mit ihrem Mann kehrte sie in die Schweiz zurück und brachte
bald darauf ihren Sohn zur Welt. Nach einer längeren Babypause fasste sie den
Entschluss: „Jetzt fängt mein neues Leben an.“
Als Quereinsteigerin beginnt Zahra bei einer grossen
Schweizer Bank im Backoffice. Sie darf gleich ein Team leiten und ist
begeistert vom dynamischen Umfeld und dem angeregten Austausch mit den
Mitarbeitern. 15 Jahre später ist sie immer noch bei der Credit Suisse, wo sie
heute den Bereich Corporate Citizenship Schweiz leitet. Sie sagt: „Banking ist unser
Geschäft, aber es braucht auch soziales Engagement.“ Ganz in diesem Sinne
unterstütz die Bank gemeinnützige Organisationen und Projekte zum einen mit finanziellen
Mitteln und zum anderen mit Freiwilligenarbeit. Zahra koordiniert die
Fördermittel und ist für die unzähligen Freiwilligeneinsätze der Credit Suisse Mitarbeitenden
verantwortlich. An mindestens einem Tag pro Jahr ermöglicht die Bank ihren
Angestellten einen solchen Arbeitseinsatz, den sie bei einer der fast 70 gemeinnützigen Partnerorganisationen für
benachteiligte Menschen leisten. Da tauscht der Banker dann seine Krawatte gegen ein „Übergwändli“ um
einen Bannwald in den Bergen vom Unterholz zu befreien oder um zugunsten von
benachteiligten Menschen an einem Stand Suppe zu schöpfen und Geld zu sammeln.
Erlebnisse, die nachhaltige Eindrücke hinterlassen.
Zahra setzt sich mit Leidenschaft für ihre Projekte
ein. Das neuste ist eines, das sich „Seitenwechsel“ nennt. Eine Woche lang
hilft ein Mitarbeiter der Credit Suisse bei der Zürcher Stiftung für
Gefangenen- und Entlassenenfürsorge aus. Es geht um die Mithilfe, aber auch um
die kurzzeitige Integration in ein nicht alltägliches Team. Zahra hat den
ersten Einsatz gleich selbst absolviert. Sie arbeitete in einer Werkstatt,
welche Elektro-Abfall auseinander baut, um gewisse Teile fürs Recycling zur
Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter dort sind Personen, die eine
Gefängnisstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit absolvieren, stellenlose
Sozialhilfebezüger und leistungsschwache und schwer vermittelbare Personen. Zahra
erzählt: „Anfangs war es für mich schwierig, mich dort zu integrieren, weil ich
ein bisschen Angst vor den Mitarbeitern hatte. Aber am Ende, war dieser Einsatz
meine bisher schönste Erfahrung, weil ich gelernt habe, dass es einfach nur
Menschen sind. Menschen, die Pech hatten im Leben, einige falsche
Entscheidungen trafen und sich mit vielen Problemen herumschlagen müssen.“
Projekte wie dieses geben Zahra die Gewissheit, dass
ihre damalige Entscheidung, die Forschung und die Biochemie an den Nagel zu
hängen, goldrichtig war. Klar möchte sie auch in diesem Beruf weiter kommen,
Karriere machen. Das Wichtigste ist ihr jedoch, dass etwas bewegen kann. Sie
möchte positive Veränderungen bewirken. Erfolg deutet sie deshalb auch so: „Wenn
ich am Abend nach Hause und weiss, dass ich meine Zeit und meine Energie für
etwas eingesetzt habe, das Sinn macht.“
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