Freitag, 6. Januar 2012

Poschter-Willy und Paul Morocco


Willy, gennant Poschter-Willy, ist Fotograf mit Herz und Seele und der erklärte Liebling aller deutschsprachigen Promis. Eigentlich ist er bereits im Ruhestand, aber einmal pro Monat lässt er sich noch für einen Gig anheuern. Dann packt er seine sieben Sachen und reist an die Orte des Geschehens. Wohlverstanden bucht Willy seine Reisen frühzeitig, damit er noch einen guten Preis kriegt. So circa ein Jahr Vorlauf ist wünschenswert. Da kommt man schon mal zu 75 Euro in einer viel-sternigen Nobel-Bleibe unter. Willy erzählt dies gerne jedem, den das interessiert. Und den anderen auch. Und zwar im schönsten Schwäbischen Dialekt.

Letzter Schauplatz von Willys Performance war der Silvesterstadl 2011 in Graz. Eine allseits beliebte Eurovisions Fernsehproduktion, bei der die Stars und Sternchen der Volks- und Schlagermusik zum alljährlichen Jahresend-Folklorisieren und Silvester-Schlagern bei Andy Borg aufkreuzen. Drei Tage lang wurde auf den Holdrio-Bühnen geprobt, geflucht, getrunken, gejohlt und schlussendlich gelivesendet. Alles was Rang, Namen oder einfach einen guten Manager hatte, traf man in den Gängen, den Katakomben, den Garderoben, den Hotellobbys rund um den Austragungsort. Und immer war Poschter-Willy mit seiner Kamera zur Stelle. Zuverlässig, wie er eben ist.

Poschter bedeutet übrigens Poster, also grossformatiges Foto, auf Schwäbisch. Und Willy ist nicht nur ein Vorzeige-Schwabe, sondern Poschter-Willy ist auch beliebt. Weil er Herz hat. Willy ist kein Paparazzo. Willy ist bodenständig, sparsam, korrekt und schlau. Er macht hübsche Fotos. Nichts Kompromitierendes. Nur Vorteilhaftes, Liebliches, Fröhliches. Ausserdem reist Willy stets mit seinem ganz persönlichen Drucker an. So kann er seine Fotos vor Ort direkt auf Postergrösse ausdrucken und die Stars bekommen dann beim Frühstück bereits ihre Schnappschüsse geliefert. Dieser Service ist einzigartig, wird von allen geschätzt und hat Willy den Übernamen Poschter-Willy eingebracht.

Paul Morocco
Paul Morocco hingegen ist das pure Gegenteil von unserem Willy. Er ist ein Vollblutkünstler, Artist, Gittarist, Jongleur, Sprücheklopfer. Paul ist beim Silvesterstadl aufgetreten. Fuliminant hat er Gitarre gespielt, Pingpong-Bälle mit dem Mund jongliert, Olé gerufen und Faxen gemacht. Das Publikum war begeistert. Er hat die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert. Und nicht nur das. Paul macht Klamauk wo immer er geht und steht. Am Frühstücksbuffet jongliert er mit dem anwesenden Obst, im Flughafenbus spielt er Gitarre auf dem Weg vom Terminal zum Flugzeug. Paul Morocco ist Paul Morocco und zwar von innen heraus. Seine Leben ist eine Bühne und die Welt ist sein Publikum. Da kann man schon mal ein bisschen abgelenkt werden von banalen Nichtigkeiten. So geschehen am Morgen nach dem Silvesterstadl.

Poschter-Willy - immer bereits drei Stunden vor Abflug am Flughafen, weil er weiss, dass es besser ist, wenn man frühzeitig dort eintrifft, weil man eben nicht weiss, was noch alles dazwischen kommen könnte - steht in der Hotel Lobby und wartet auf sein Taxi. Dort trifft er auf Paul Morocco, der mit gefühlten 50 Gepäckstücken, allesamt unförmig und übergross, ebenfalls dort wartet. Sie kommen ins plaudern. Dabei wird folgendes Dilemma festgestellt: Paul hat seinen Flug verpasst, er weiss nicht mehr, wohin er hätte fliegen sollen, sein Ticket ist nicht mehr auffindbar und er hat seinen Nachnamen vergessen. Es muss eine rauschende After-Show-Party gewesen sein. Soll keiner sagen, der Musikantenstadl seine eine lahme Veranstaltung!

Poschter-Willy ist schockiert, kommt aber sofort in die Gänge. Er hat eine Idee. Es gibt doch bestimmt schon Bilder in der Presse. Er greift sich das im Hotel aufliegende Steierische Käseblatt und siehe da, ein ganzseitiger Artikel ist drin mit einem Foto von Paul inkl. Bildunterschrift und flugs wissen wieder alle wie sie heissen. Poschter-Willy ist jetzt ganz in seinem Element. Er fährt mit dem Taxi voraus zum Flughafen. Er hat Paul versprochen, dass er am Schalter bereits sein Kommen ankündigen würde und man dann sicher dort herausfinden könne auf welchen Flieger er müsse. Ebenfalls würde er die Crew vorab darauf aufmerksam machen, dass noch 50 Gepäckstücke irgendwie auf den Flieger müssten. Willy marschiert also zum Schalter, hält dem Bodenpersonal den Zeitungsausschnitt hin und meldet das Eintreffen Pauls des Grossen. Die Dame am Schalter hat am Abend zuvor ebenfalls den Silvesterstadl geschaut, erkennt Morocco wieder und findet ihn auf ihrer Liste. Hurra! Paul hatte die gleiche Destination wie Willy gebucht und es gibt noch einen freien Platz auf Willys Maschine. Die Eincheck-Lady meinte aber, Paul müsse sich noch identifizieren, wenn er käme. Willy sagt, das sei kein Problem, er könne ja die Pingpong-Jonglier-Nummer vom Stadl vorführen. Alle sind einverstanden.

Morocco kommt, spuckt mit Pingpongbälle, spielt Gitarre, bringt Stimmung in den gesamten Grazer Flughafen, checked 50 Stück Gepäck ein, darunter ein Sitzball, bei dem die Luft nicht abgelassen werden kann und einen 2 Meter langen Kontrabass, marschiert dann zum Security-Check, spielt Mundharmonika, legt sich selbst auf’s Röntgenband, was ihm verweigert, aber nicht übel genommen wird und gesellt sich dann zu Poschter-Willy, der seine Geschichte bereits seinen Mitfliegern erzählt hat. Als Morocco sich dazu setzt, wischen sich alle die letzten Lach-Tränen aus den Augen und applaudieren. Der Applaus gilt weniger Paul dafür aber 100% Poschter-Willy und seiner auf Schwäbisch erzählten wahren Satire, die das Leben ihm schrieb.

Das Boarding hat bereits begonnen, als Morocco noch zwei Würstchen mit Brot bestellt und diese dann seelenruhig verzehrt, als auch der letzte Passagier bereits an Bord gegangen ist. Morocco hat die Ruhe weg. Wahrscheinlich nicht nur das. Am Ende sitzen alle glücklich im Flugzeug. Poschter-Willy hat in vier verschiedenen Gepäckablagen seinen Drucker, seinen Laptop, sein Reise-Büro, seine Jacke und eine Banane verstaut und Paul döst auf seinem Platz ruhig vor sich her. Während des Fluges werden Schokoriegel verteilt, die Poschter-Willy bei seinen Bekannten einsammelt, um sie Morocco zu schenken, weil der arme Kerl ja gar nichts zum Frühstück bekommen hat und der ja sonst nichts zu essen kriegt. Am Flughafen München angekommen, verabschiedet sich Paul bei Willy, denn der muss seinen Zug kriegen und er muss frühzeitig am Bahnhof sein, denn man weiss ja nie, was einem noch so dazwischen kommen könnte.

Paul steht nun wieder alleine da. Etwas verloren. Die Schlagersängerin, Géraldine Olivier nimmt sich seiner an und erkundigt sich, wohin er jetzt müsse. Hat er vergessen. Er zieht einen Stapel Bordkarten und Flugtickets aus der Tasche. Von weitem kann man noch beobachten, wie Géraldine Olivier eifrig die Bordkarten sortiert und Paul Morocco fröhlich Schokoriegel an Kinder verteilt.

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