Meine Grossmutter kochte am liebsten mit Bratpfannen, die sie von ihrer
Mutter geerbt hatte. Sie wurden niemals abgewaschen, sondern lediglich mit einem
Tuch ausgewischt. Das war ganz wichtig und wir wurden schon als Kinder dahingehend
instruiert. Diese Pfannen waren innen und aussen fast schwarz. Sie hatten
Patina. Natürlich werden die Hygienefanatiker jetzt die Hände in die Höhe
werfen und sich vor Ekel schütteln, aber was soll ich sagen: Sie wissen halt
nicht, was ihnen entgeht. Ich koche noch heute mit einem Bräter, den ich von
meiner Grossmutter übernommen habe und an dem aussen Saucenreste der letzten sechzig
Jahre eingebrannt sind. Dem Boeuf Bourguignon, das ich darin zubereite, ist das
egal, und denen, die es essen, ebenfalls. Der Geschmack zählt und der ist
fantastisch. Der Look ist für einmal Nebensache.
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Nicht so bei Möbeln. Dort ist Patina auch von aussen wünschenswert. Stücke,
die abgeliebt, aufgeplatzt oder rostbefleckt sind, wirken authentisch, familiär
und passen mit ihrem Charme in jedes Heim. Ausserdem sind sie im Umgang sehr
pflegeleicht und können gut mit Kindern. Man kann sie ohne schlechtes Gewissen
abschmirgeln, anmalen, absägen oder sie ganz einfach so lassen wie sie sind –
ramponiert aber herzlich.
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Im Gegensatz zu leicht verschlissenem Mobiliar sind richtige Antiquitäten
eine heikle Angelegenheit, weil sie so Ehrfurcht einflössend und poliert sind.
Meistens haben sie einen beachtlichen monetären Wert, was bedeutet, dass es
nicht opportun wäre, das dunkle Mahagoni einfach weiss zu streichen. Obwohl ich
so was natürlich ohne mit der Wimper zu zucken tun würde. Man kann nichts
mitnehmen, meine Damen und Herren, schon gar keine Louis XV Kommode, ausser man
lässt sich darin begraben. Immerhin wäre das ein ganz schön fulminanter Abgang.
Chapeau, wer sich das traut!
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Jedenfalls erspart man sich viel Ärger mit der Nachkommenschaft, wenn
man sich auf wenige echte Antiquitäten beschränkt und dafür umso mehr
liebenswerten alten Kram anschafft, der den Look auflockert und erst noch
kostengünstig ist. Patina muss her. Sie bringt Behaglichkeit. Unvollkommen, wie
sie nun mal ist, hat sie doch das pure Leben in sich. Die Ehrlichkeit eines
Möbels mit Erfahrung ist es, was den Unterschied macht. Altersflecken auf einem
Bild, abgewetzte Stellen auf einem Sofa, abgesplitterte Farbe an einem Schrank,
ein abgebrochener Finger an einer Statue, angerostete Gartenstühle. Hinter all
diesen scheinbaren Verunstaltungen, Fehlern und Unvollkommenheiten stecken
Geschichten, die von Schusseligkeit, Vergnügen und Geselligkeit erzählen.
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Eine Einrichtung ist wie eine grosse Familie. Damit sie einem
Geborgenheit geben kann, muss im Idealfall alles mit dabei sein: Der liebenswerte
Grossvater in Form eines uralten, weisen Lehnstuhls. Die Mütterlichkeit einer
in Würde gealterten Anrichte, die mit etwas Farbe gekonnt und glamourös im
Rampenlicht steht. Die Jugendlichkeit einer brandneuen, unbeschwerten
Designerlampe und natürlich die Exaltiertheit eines Empire-Tischchens mit
goldenen Klauenfüssen. Harmonie entsteht dort, wo die Unterschiede zu einem
aufregenden Ganzen zusammen wachsen.
Perfektion ist eine endlose Aneinanderreihung von blassen Makellosigkeiten.
Patina jedoch erweckt die Vollkommenheit erst zum Leben.
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Last night as I lay
Sleeping I
dreamt
O’marvelous
error,
that there was a
beehive here
inside
my heart and the
golden bees were
making sweet
honey
from all my
failures.
Machado de Assis