Donnerstag, 10. Mai 2012

Das Glück einen Vogel zu haben


Erinnern Sie sich noch an die Lobby von Norman Bates Motel im Film „Die Vögel“? Voller ausgestopfter Flattertiere mit gelben Augen. Brillant von Hitchcock in Szene gesetzt. Viel weniger einschüchternd waren  Amsel, Drossel, Fink und Star, die in den Vitrinen beim Schulhauseingang sassen, obwohl sie immer leicht verstaubt waren. Heute würde sich manche Interior Stylistin so eine Vitrine wünschen. Diese zum Beispiel. Gibt es denn etwas Schöneres als eine Stockente im Wohnzimmer zu haben? Sie finden es pietätlos sich tote Tiere ins Bücherregal zu stellen? Na da entgeht Ihnen aber etwas!

http://pinterest.com/landhausdiva/animal-inspired-interiors/
Ich würde mir ein Lämmchen wünschen oder einen Schwan, aber fachmännisch präparierte Tiere sind teuer. Aus gutem Grund: Das Handwerk des Tierpräparators, auch Taxidermist genannt, gibt es seit dem 18. Jahrhundert und erfordert grosses Können und weitreichendes Wissen um die Anatomie der Tiere. Ausserdem muss ein Präparator immer auch ein Künstler sein. Im 18. Jahrhundert wurden Tiere wie Kopfkissen ausgestopft. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ging man dazu über, einen Grundkörper aus Ton, Holz, oder gepresstem Stroh herzustellen, was grosses gestalterisches Talent voraussetzt. Danach wird die Tierhaut gegerbt, auf den Grundkörper aufgezogen und die Gliedmassen oder Flügel sowie der Kopf fixiert. Zwei Glasaugen kommen noch dazu und am Ende wird der Rumpf fein säuberlich zugenäht. Fertig. Fast wie in der Beauty Klink. Schönheitschirurgie ist im Grunde auch nichts anderes als Taxidermie am lebenden Objekt.

Picture Source: http://pinterest.com/landhausdiva/animal-inspired-interiors/

Hauptsächlich zu Studienzwecken wurden Tiere früher präpariert. Leider erlagen auch skrupellose Kolonialherren ihrer Faszination und erhoben sie zu begehrten Jagdtrophäen, die sie zu einem Symbol sinnlosen Tötens machten. Heute werden legal erlegte Wildtiere sowie Haustiere auch aus nostalgischen Gründen gerne ausgestopft. In der Kunst haben präparierte Viecher einen besonderen Stellenwert. Nicht wenige angesagte Künstler integrieren sie in ihre Arbeiten. Aus einigen Taxidermisten wurden Künstler, die mit ihren Werken den sanften Liebreiz, die rohe Wildheit oder die abgrundtiefe Schönheit der Lebewesen in ihren Werken zu erfassen mögen. 

Kunstwerk von Polly Morgan, www.polymorgan.co.uk
 
Es wäre also wirklich schade, wenn man sich die Freude an einem Stopfküken verderben liesse, aufgrund von oberflächlichen Vorurteilen der ungerechtfertigt morbiden Sorte. Dekorieren mit Tieren, die einmal geschnattert, gepiepst oder gemümmelt haben, verleiht dem Raum einen märchenhaften Charme. Ein gelbes Kanarienvögelchen auf dem Nachttisch, ein zünftiger Feldhase neben dem Kamin oder ein anmutiger Fasan auf der Anrichte sind bezaubernde Kunstobjekte, die jedem Besucher ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern und sie vor Neid erblassen lässt. Zugegeben, es brauch etwas Mut und Phantasie, sich anstelle einer Halogenlampe ein Krokodil über den Esstisch zu hängen, aber es lohnt sich einen solchen Schritt zu wagen, denn Exzentriker leben länger und können nach ihrem Tod besser präpariert werden.

Kunstwerk von Polly Morgan, www.polymorgan.co.uk

Ich persönlich habe vor kurzem auf dem Flohmarkt einen stattlichen Erpel zu einem guten Preis erworben, der nun in meinem Wohnzimmer wohnt. Ich fand ihn an einem Stand, der angefüllt war mit Hirschgeweihen und geschnitzten Gämsen. Er stand ganz hinten. Etwas verdeckt. Als ich ihn entdeckte, war es Liebe auf dem ersten Blick. Er ist nicht perfekt. Es fehlen ihm ein paar Federn. Sein Name ist Kaiser Franz und der Schalk sitzt ihm im Nacken. Manche mögen sagen, das Glück dieser Erde läge auf dem Rücken der Pferde. Für mich tut es auch eine Ente. Und ein Hase (Anmerkung der Redaktion). Eins haben alle ausgestopften Tiere gemeinsam: Sie sind zwar tot, dafür absolut stubenrein.

Kaiser Franz



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