Mittwoch, 2. Januar 2013

Die Sanftheit des Lichts



„Und in der Nacht, wenn uns ein Grau‘n befällt, wie leicht, dass man da den Busch für einen Bären hält!“ Theseus sagt dies zu Hippolyta in Shakespeares Sommernachtstraum und spricht weniger von mangelndem Licht als von der Verblendung der Verliebten. Doch was zu Shakepeares Zeit nächtens fehlte, von dem haben wir heute so viel, dass sogar der Mann im Mond die Erde in der ewigen Nacht nicht verfehlen dürfte, würde er uns besuchen wollen, denn auf der Erde brennt immer ein Licht. Die elektrische Beleuchtung ist eine grosse Errungenschaft, die wir nie mehr missen möchten, obwohl Helligkeit mitunter gnadenlos und brutal sein kann und sie die Zwielichtigkeit mancher Personen auch in ihrer gleissendsten Form nicht weg zu leuchten vermag. Und doch ermöglicht uns diese künstliche Helle ein Leben, in dem die Nacht nur noch eine marginale Rolle spielt, weil wir sie je nach Bedarf einfach zum Tag machen können. Alles was es dazu braucht ist eine leistungsstarke Glühbirne in einer Strassenlaterne und – voilà - schon werden aus Bären, die im Dunkeln lauern, harmlose Büsche, die im Winde wogen. 

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Der Lichtverschmutzung im eigenen Heim haben wir uns bereits früher gewidmet. Sie ist die dunkle resp. die missverstandene und blendende Seite des Lichts. Was angebracht ist, um ein Buch zu lesen, eine Zwiebel unfallfrei zu schneiden oder einen verlorenen Ohrring wieder zu finden, das ist unnötig, wenn es darum geht, Behaglichkeit zu erzeugen. Dafür sind gedimmte Glühbirnen besser geeignet. Noch besser sind Kerzen. Sie erinnern uns an die gute alte Zeit, in der die reichen Leute unter riesigen, Kerzen beflammten Kronleuchtern ins neue Jahr tanzten oder Liebende sich im zarten Kerzenschein vernaschten. Heute haben wir das Glück, dass wir freiwillig den Lichtschalter ausmachen und uns dem sanften Halbdunkel des Kerzenlichts hingeben können. Kerzen sind Seelentröster. Sie begleiten uns auf Reisen in zärtliche, leichte Welten der Dämmerung - und zwar auf ganz legale Weise.


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Eine Dinner-Party, bei der die ganze Wohnung nur mit Kerzen erleuchtet ist, bleibt jedem Gast noch lange in Erinnerung. Dieses Licht ist anmutig. Es ist alles verzeihend und lässt die Gäste zehn Jahre jünger und zehn Kilo leichter aussehen. Ausserdem fällt niemandem auf, wenn man Tomatensuppe aufs Jacket gekleckert hat, dass der Kopfsalat schon etwas schlapp war und vor dem Anlass nicht Staub gesaugt wurde. Unbedingt muss diese Beleuchtung bis auf Gäste-Klo durchgezogen werden, wenn man nicht will, dass die Besucher sich ab dem eigenen Spiegelbild erschrecken, wenn sie das Licht anknipsen. Manche Männer tun dies übrigens trotz Kerzenbeleuchtung. Man weiss nicht wieso, aber es hängt wahrscheinlich mit vehementer Sitzhemmung und mangelnder Treffsicherheit zusammen. Die Schlauen wissen, dass man sich durch so eine unüberlegte Handlung jäh ins brutale, helle Leben zurück katapultiert. Darauf sollte man noch einen Augenblick lang verzichten. Einen solchen Abend muss man auskosten, bis das letzte Stück Schokolade auf der Zunge zergangen ist, die Konversation langsam verglüht und die Kerzen sich dem Ende entgegen neigen. Erst dann tritt man in die Nacht hinaus. Löst sich von dem Zauber und erkennt Büsche in der Dunkelheit, aber glaubt dennoch, dass es Bären sind.




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Shakespeare sprach von der Verblendung der Verliebtheit. Ein beneidenswerter Zustand. Flüchtig und vorübergehend. Und so ist auch der Kerzenschein eine Liebelei mit der Dunkelheit, ein Spiel mit den Schatten und gleichzeitig eine Liebkosung des Lichts. Beides erlischt mit der Zeit, doch nur die Kerze ist ersetzbar. Lasst sie uns geniessen! Immer und immer wieder.

Source: http://mysweetsavannah.blogspot.ch


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