„Und in der Nacht, wenn uns
ein Grau‘n befällt, wie leicht, dass man da den Busch für einen Bären hält!“
Theseus sagt dies zu Hippolyta in Shakespeares Sommernachtstraum und spricht
weniger von mangelndem Licht als von der Verblendung der Verliebten. Doch was zu
Shakepeares Zeit nächtens fehlte, von dem haben wir heute so viel, dass sogar
der Mann im Mond die Erde in der ewigen Nacht nicht verfehlen dürfte, würde er
uns besuchen wollen, denn auf der Erde brennt immer ein Licht. Die elektrische Beleuchtung
ist eine grosse Errungenschaft, die wir nie mehr missen möchten, obwohl
Helligkeit mitunter gnadenlos und brutal sein kann und sie die Zwielichtigkeit mancher
Personen auch in ihrer gleissendsten Form nicht weg zu leuchten vermag. Und
doch ermöglicht uns diese künstliche Helle ein Leben, in dem die Nacht nur noch
eine marginale Rolle spielt, weil wir sie je nach Bedarf einfach zum Tag machen
können. Alles was es dazu braucht ist eine leistungsstarke Glühbirne in einer
Strassenlaterne und – voilà - schon werden aus Bären, die im Dunkeln lauern,
harmlose Büsche, die im Winde wogen.
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Der Lichtverschmutzung im
eigenen Heim haben wir uns bereits früher gewidmet. Sie ist die dunkle resp.
die missverstandene und blendende Seite des Lichts. Was angebracht ist, um ein
Buch zu lesen, eine Zwiebel unfallfrei zu schneiden oder einen verlorenen
Ohrring wieder zu finden, das ist unnötig, wenn es darum geht, Behaglichkeit zu
erzeugen. Dafür sind gedimmte Glühbirnen besser geeignet. Noch besser sind
Kerzen. Sie erinnern uns an die gute alte Zeit, in der die reichen Leute unter
riesigen, Kerzen beflammten Kronleuchtern ins neue Jahr tanzten oder Liebende
sich im zarten Kerzenschein vernaschten. Heute haben wir das Glück, dass wir
freiwillig den Lichtschalter ausmachen und uns dem sanften Halbdunkel des
Kerzenlichts hingeben können. Kerzen sind Seelentröster. Sie begleiten uns auf
Reisen in zärtliche, leichte Welten der Dämmerung - und zwar auf ganz legale
Weise.
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Eine Dinner-Party, bei der
die ganze Wohnung nur mit Kerzen erleuchtet ist, bleibt jedem Gast noch lange
in Erinnerung. Dieses Licht ist anmutig. Es ist alles verzeihend und lässt die
Gäste zehn Jahre jünger und zehn Kilo leichter aussehen. Ausserdem fällt
niemandem auf, wenn man Tomatensuppe aufs Jacket gekleckert hat, dass der
Kopfsalat schon etwas schlapp war und vor dem Anlass nicht Staub gesaugt wurde.
Unbedingt muss diese Beleuchtung bis auf Gäste-Klo durchgezogen werden, wenn
man nicht will, dass die Besucher sich ab dem eigenen Spiegelbild erschrecken,
wenn sie das Licht anknipsen. Manche Männer tun dies übrigens trotz
Kerzenbeleuchtung. Man weiss nicht wieso, aber es hängt wahrscheinlich mit
vehementer Sitzhemmung und mangelnder Treffsicherheit zusammen. Die Schlauen
wissen, dass man sich durch so eine unüberlegte Handlung jäh ins brutale, helle
Leben zurück katapultiert. Darauf sollte man noch einen Augenblick lang
verzichten. Einen solchen Abend muss man auskosten, bis das letzte Stück
Schokolade auf der Zunge zergangen ist, die Konversation langsam verglüht und
die Kerzen sich dem Ende entgegen neigen. Erst dann tritt man in die Nacht
hinaus. Löst sich von dem Zauber und erkennt Büsche in der Dunkelheit, aber glaubt
dennoch, dass es Bären sind.
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Shakespeare sprach von der
Verblendung der Verliebtheit. Ein beneidenswerter Zustand. Flüchtig und
vorübergehend. Und so ist auch der Kerzenschein eine Liebelei mit der
Dunkelheit, ein Spiel mit den Schatten und gleichzeitig eine Liebkosung des
Lichts. Beides erlischt mit der Zeit, doch nur die Kerze ist ersetzbar. Lasst
sie uns geniessen! Immer und immer wieder.
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