Freitag, 31. August 2012

Die Schöne und das Biest


Er steht in jeder Wohnung. Gehört zum Inventar jedes Hauses. Er bringt Familien zusammen, Ehen auseinander und Kinder sollen ihn gefälligst nur in kleinen Dosen geniessen. Er ersetzt Freunde, kann sprechen, aber nicht sehen. Wenn es uns zu bunt wird, dann kann man ihn abstellen, ohne dass er beleidigt ist.  Wenn wir es wollen, dann spielt er Musik, lässt unserer Herzen bei Liebesfilmen höher schlagen, bringt uns auf den neusten Stand, zeigt uns, wie andere Leute nicht singen können, keine Frau finden, mit dem Auswandern nicht zurechtkommen. Es ist eine Wonne! Er ist ein Supertalent, das wir per Knopfdruck dominieren. Wir brauchen dazu noch nicht mal aufzustehen. Es reichen zwei bis drei Fernbedienungen und schon ist man im Paradies. 

Source: http://design-crisis.com/?p=2440

Der Fernseher ist das liebste Familienmitglied und zwar aus all den oben genannten Gründen. Er steht immer im Mittelpunkt. Häufig ist er im Wohnbereich zu finden. Manchmal hat er sein eigenes Zimmer und ganz oft hat er sich bereits multipliziert und es findet sich in jedem Raum einer. Er hat nur einen Makel: Seit über sechzig Jahren ist er äusserlich ein hässliches Entlein geblieben, das zwar flach und HD tauglich gemacht wurde, aber das Upgrade zum Schwan verpasst hat. Jetzt sitzt er zu Hause, schwarz und gross. Seine Freunde, die Setup-Box, der DVD-Player und die Playstation halten sich silbergrau stets in seiner Nähe auf und wollen in Sichtweite sein, sonst verweigern sie den Dienst. Die Fernbedienungen verstecken sich verschämt zwischen den Sofakissen. 

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Für die Inneneinrichtung sind Fernseher eine echte Herausforderung. Von Männern für Männer entwickelt, hat man es in all den Jahren nicht geschafft, diese Kisten hübsch aussehen zu lassen. B&O hat sich viel Mühe gegeben, aber gereicht hat es auch nicht. Bunter ist nicht schöner, nur teurer und auffälliger. Hätten mehr Frauen bei der Weiterentwicklung der TVs mitgewirkt, dann hätten wir vielleicht heute kein HD, was sowieso keiner braucht, aber wir hätten Shabby Chic Flimmerkisten, die im Ruhezustand aussehen, wie ein Stillleben mitsamt barockem Rahmen und die bei Inbetriebnahme direkt den Suchlauf für den nächsten Rosamunde Pilcher Film starten.

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Nun schlagen wir uns halt mit den Ungetümen herum, die man uns in die Wohnungen stellt. Den Männern und ihren Fernsehgeräten. Wenn man sie wenigstens ordentlich verstecken könnte, aber bei den gigantischen Bildschirmgrössen, die es offenbar braucht, um ein Formel Eins Rennen oder Bruce Willis im ständig verdreckten T-Shirt sehen zu können, hat Frau keine Chance. Ein TV-Möbel, das diese Dimensionen in sich verbergen kann und gleichzeitig äusserlich ansprechend aussieht, ist nach menschlichem Ermessen nicht herstellbar. Da gibt es nur eines: Der Putzfrau einen grossen Bonus versprechen, wenn sie das Monster beim Boden wischen aus Versehen vom Sockel stösst und vor Schreck noch den Putzeimer hinterher kippt, bis die Funken fliegen.

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Was danach kommt ist ein moderater Fernseher, der dank HD auch im Kleinformat gestochen scharfe Bilder platzender Reifen und explodierender Flugzeuge liefert, während er, ganz in Weiss gehalten, fast nahtlos in die Wand übergeht. Seine Freunde finden im hübschen Schränkchen darunter Platz, das mit Gittertürchen geschlossen wird, damit sie den Kontakt nicht verlieren, und die Fernbedienungen wohnen alle zusammen in einer silbernen Schale auf dem Salontisch. So hat alles seine Ordnung. Desperate Housewives kommt immer dienstags, Pilcher oder Danella meistens sonntags, das Champions League Finale kann sich Mann beim Public Viewing anschauen und die Putzfrau hat sich vom Bonus ein 52 Zoll Home Cinema gekauft. Ay caramba!


Source: http://design-crisis.com/?p=2440  

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