Donnerstag, 9. Februar 2012

ExCentro - Das fabelhafte Reich jenseits der Mitte

"Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch zu sein wie kein anderer."
Simone de Beauvoir


Iris Apfel, 88 Jahre, Face of MAC Cosmetics 2012
Wäre es nicht fantastisch wenn wir ganz und gar uns selbst sein könnten? In jeder Situation und in jeder Lage? Täglich unbefangen und unbeschwert? Wenn wir aussprechen könnten, was wir wirklich denken und das anziehen, worin wir uns wohl fühlen? Wäre es nicht grossartig, wenn wir vorbehaltlos leben und leben lassen könnten? Ein Traum, nicht wahr? Und obwohl die meisten von uns sich die Erfüllung dieses Traumes wünschen, so haben sie doch nicht den Mut, ihn wahr werden zu lassen. 

Im Gegenteil. Unser ganzes Bestreben liegt darin, um jeden Preis so zu sein, wie die anderen. Einige von uns bezahlen einen hohen Preis dafür, dem Mainstream ihrer Kaste anzugehören. Designerkleider, Persönlichkeits-Trainings, Tennisstunden, Schönheits- operationen, Wirtschaftsstudium, Psychotherapie, Lamborghinis. Dabei scheint es so zu sein, dass der innere Groll gegenüber dem selbst auferlegten äusseren Zwang sich darin entlädt, all diejenigen auszusondern oder zu zermürben, die aus der Rolle fallen. Hämisches Lästern, mit Fingern zeigen und Schlechtmacherei sind die Waffen der Entmutigten, der Resignierten, der Gehemmten. Ich plädiere deshalb für mehr Courage und weniger Neid. 

La Lupa fotografiert von Barbara Graf Horka
Der schottischer Psychologe David Weeks hat mittels einer jahrelangen Studie herausgefunden, dass exzentrische Leute glücklicher sind, jünger aussehen und länger leben, weil sie keinen sozialen Stress erleben. Es spricht also nichts dagegen etwas mehr Egozentrik an den Tag zu legen. Schrullig sein ist gesund. Bei ganz wenigen ist der Nonkonformismus angeboren. Gepriesen seien sie!  Einige verplempern ihr Jugend damit, massenkompatibel sein zu wollen und kommen erst ab Mitte Dreissig auf den Geschmack der grossen Freiheit. Wobei sich bei fast allen die Freude an der Exaltiertheit nach der Midlife-Crisis wieder verflüchtigt. Traurigerweise zelebriert der grösste Teil der Menschheit die hart erarbeitet Mittelmässigkeit bis zum bitteren Ende.

Laut wissenschaftlicher Studie gibt es fünf Hauptmerkmale, die auf einen echten Exzentriker zutreffen: Unangepasstheit, Kreativität, Neugierde, Idealismus, Betreiben von durchschnittlich fünf bis sechs Hobbies. Ebenfalls hegen die wenigsten den Wunsch von der Gesellschaft Anerkennung oder Bestätigung zu erhalten, sind wenig interessiert an den Ansichten anderer, haben einen grossen Sinn für Humor und sind schlecht in der Rechtschreibung. Wie sieht es aus? Gehören Sie dazu? Wenn nicht, machen Sie jetzt den Anfang: Legen Sie sich ein Hobby zu! Briefmarkensammeln gilt nicht! Schmetterlinge fangen und aufspiessen schon eher.

Die Verrückten und Skurrilen dieser Welt machen unser Leben bunter, auch wenn sie viel zu selten unsere Wege kreuzen. Verschrobenheit mag anstrengend sein, ist aber gleichzeitig verlockend. Und deswegen ist gemässigt exzentrisch zu sein, durchaus erstrebenswert und absolut gesellschaftsfähig. Probieren Sie es aus! Aber seien sie vorsichtig: Exzentrik definiert sich nicht über Geschmacklosigkeit und Impertinenz sondern über Kreativität und Idealismus. Es ist ähnlich wie beim alten Adel und den Neureichen: Die wahrhaft  Irren kommen überall hin, die Parvenüs landen im Dschungelcamp.  

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