Donnerstag, 15. März 2012

Oberflächlichkeiten


Es gibt Momente im Leben, in denen der Mensch gravierende Entscheidungen treffen muss. Nämlich zwischen Ästhetik und Funktionalität. Bei einer Nasenoperation dürfte letzteres den Vorrang haben. Im trauten Heim dagegen müsste es möglich sein,  sich ohne Ausnahme für ersteres zu begeistern. Was will ich damit sagen? Nun, es ist mir ein Anliegen, die ästhetische Moral hochzuhalten im Angesicht des helvetischen Nützlichkeits-Wahns. Es gibt scheussliche Fauxpas in Sachen Einrichtung, die man leider immer wieder antrifft. Und zwar verblüffenderweise oft bei Leuten, die  bei ihrer Nase der Schönheit Vorrang geben würden, um fortan mit eingeschränkter Funktionalität zu schnüffeln.

Schuhe gehören hinter den Vorhang oder in den Schuh-Ottomanen
paloma81.blogspot.com/2011/11/beautifully-organized-ideas-for-shoe.html
  

Bei solchen Leuten steht dann im Flur ein offenes Schuhregal oder – noch schlimmer – die Schuhe stehen aufgereiht an der Wand entlang. Und ich spreche nicht von zierlichen Damenpumps in Pastelltönen, sondern von Frauen-, Männer- und Kinderlatschen, Flipflops, Turnschuhen, Wanderschuhen, Stiefeln.  In jeglichen Farben, in jedem Zustand- von abgewetzt bis zerfleddert. Alles durcheinander. Vom Geruch, den diese obszöne Anhäufung von Tretmaterial von sich gibt, ganz zu schweigen. Äusserst verwerflich wird es, wenn dieses Schuhzeug bereits vor der Haustür anzutreffen ist.  Schuhe gehören nur an Füssen in die Öffentlichkeit. Also weg damit. Sowas muss in Schränken, hinter Vorhängen oder in Truhen versteckt werden.

Als Stillleben ist sogar mehr als eine Gieskanne erlaubt!
eachlittleworld.typepad.com/each_little_world/watering-cans
Auch sehr abstrakt sind Altpapier-Sammlungen neben dem Sofa und Spritzkannen neben der Zimmerpflanze. Natürlich ist das praktisch, aber es degradiert das Sitzmöbel zur Abfallsammelstelle und den Gummibaum zur Regentonne. Bei der Pflanze ist dieser Aufbewahrungsort besonders brutal, wenn das Wasser nebenan gar nie in den Topf findet. Diese Folter endet damit, dass neben der vor sich her gammelnden Giesskanne zu allem Übel bald auch noch eine serbelnde Pflanze steht. Hierzu sei gesagt, dass Grünzeug, welches das Ablaufdatum überschritten hat – also bereits tot ist oder nur noch die Hälfte der Blätter aufweist – weggeworfen werden und nicht auf dem Fenstersims auf Wiederbelebung durch den heiligen Geist warten soll. Das sieht einfach unglaublich hässlich aus. Es ist doch gar nicht so schwierig: Abfall und Werkzeuge sollen immer unsichtbar sein. Genau wie die Schuhe.

Fantastisch! Zeitrschriften in alter Urne.
mylovelylife-blog.blogspot.com/2010/08/peaceful-easy-livin.html
Noch ein Wort zu Zeitschriften: Wenn sie aufbewahrt werden müssen, dann bitte in attraktiven Behältern. Es gibt genug Ordnungshüter, die durchaus sehenswert sind. Körbe, zum Beispiel, sind toll. Auch glasierte Übertöpfe, die eigentlich für Pflanzen gedacht sind. Oder alte Weinkisten. Dann suchen Sie sich  das schönste Heft aus, welches dann oben liegen muss. Wohnmagazine haben meist dekorative Covers. Bei People Heften oder Modezeitschriften könnte es eher grell werden. Computer- und Fernseh-Zeitschriften gehören in die Kategorie Werkzeuge und haben auf einsehbaren Oberflächen nichts zu suchen.

Es gilt gemeinhin der Grundsatz, dass sämtliche Oberflächen als Basis für ein fröhliches Stillleben dienen und nicht als Ablage für Gerümpel. Auf diesen Flächen verwendet man dann nur Objekte, die dem Auge schmeicheln. Frische Blumen in schönen Vasen, Bücher, Büsten, Bilder, Muscheln, Statuen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Von Alltags-Zubehör sollte der Laie allerdings die Finger lassen. Fortgeschrittene können schon mal eine Sammlung alter Silberlöffel in antike Gläser stellen, die in der Küche gut aussehen. Die Profis inszenieren mit ausgestopften Enten, hübschen Eierbechern und farbigen Strumpfkugeln einen Ostertisch. Dafür braucht es allerdings ein bisschen Übung, sonst wird aus einem schelmischen Deko-Konzept ganz schnell ein Psycho-Arrangement à la Norman Bates.

Oberflächentauglich!
Michele Lalande, Decorative Details
http://parishotelboutique.blogspot.com/2008/08/new-french-decor.html
Wenn Sie also in Zukunft wieder einmal an eine Weggabelung kommen, an der Sie entscheiden müssen, ob Sie lieber einen Schwedenofen oder schwedische Gardinen im Wohnzimmer wollen, dann seien Sie schlau, holen Sie sich bei Ikea die Vorhänge und seien Sie bloss froh, dass Ihre Bodenheizung unsichtbar ist. Den allseits hochgelobten und ebenso abgrundtief hässlichen Ofen stellen Sie sich in den Keller. Dort ist er am nützlichsten, weil Sie darin Ihre alten Halbschuhe, die Computerheftli Ihres Mannes  und Freddy Krüger verbrennen können. Skol!

Michele Lalande, Decorative Details
http://sallyjean.typepad.com/sallyjean/2009/06/index.html

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